Mittwoch, 20. Juli 2011

Spinat II

Vor einigen Jahren hatten wir Hunger auf Welt. Deshalb bewarben wir uns beim Institut für Interkulturelle Kommunikation und wurden Gasteltern für Studenten aus verschiedenen Ländern. So kam auch Yuki zu uns.
Japaner sind besonders. Sie gelten als höflich. Im Alltag sieht man das zwangsläufig anders. Japaner sind sehr nett und immer bemüht, keine Umstände zu machen. Das macht es umständlich. Ein Japaner sagt niemals ‚nein‘. Er  sagt nicht, wenn ihm etwas nicht gefällt oder nicht schmeckt. Man muß es ahnen. Fühlen. Erraten. Ein Japaner würgt Thüringer Klöße in sich hinein, unterdrückt dabei den Brechreiz und sagt noch nickend, es schmecke guuuuut. Er sitzt vergrämt am Frühstückstisch und ißt nichts. Auf die Frage, was er denn gern zum Frühstück möchte antwortet der Japaner: „Ich esse, was Du ißt.“ He, Frage falsch gestellt! Ein Japaner äußert keine persönlichen Wünsche. Es muß heißen: "Was ißt man denn in Japan zum Frühstück?" Die Antwort lautet begeistert: Gemüsesuppe! Hühnersuppe mit Gemüse! Oder so. Ansonsten essen Japaner sehr viel. Fast alles. Fast. "Tier" nämlich nicht. "Tier"? Unsere Fleischlieferanten werden in zwei Kategorien geteilt: "Tier" und "Essen". Angehörige der Kategorie „Tier“ ißt man natürlich nicht.
Ich war mit Yuki im Tiergarten in Eisenberg. Dort gab es auch einen Kinderbauernhof. Yuki zeigte begeistert auf Kaninchen, Puten, Ziegen, Pferde, Esel, Perlhühner und Tauben und sagte, das seien Tiere. Schweine, Rinder und Hühner hießen „Essen“. Das erklärte uns ihr Entsetzen, als es am Abend zuvor Putenbrust gab. Puten sind in Japan große bunte Vögel im Zoo und selten, sagt Yuki. Erst unsere Behauptung, Puten seinen große, weiße Hühner, und sie lebten massenhaft auf Bauernhöfen, konnte sie zum Essen bewegen.
Später kamen wir zum Freigehege der Großvögel. Da lief auch irgend so ein Laufvogel herum. Emu, Nandu, Strauß, keine Ahnung, Das Viech machte einen Haufen. Groß. Grün. Wir starrten fasziniert darauf. Der Vogel drehte sich um und beäugte begeistert seine Hinterlassenschaft. Es handelte sich um einen sattgrünen Haufen, in dem knallgelbe Maiskörner prangten. Sie wissen, wie Straußenvögel etwas beäugen, das sie interessiert? Das Viech starrte also abwechselnd mit dem rechten und dem linken Auge auf den Haufen und begann dann, die Maiskörner herauszupicken. Yuki stand da, wie zur Salzsäule erstarrt und beobachtete fasziniert das Geschehen. Dann schüttelte sie sich angeekelt und rief immer wieder: „Iiiiie. Iiiie!“
Ganz ehrlich: Der Haufen sah aus wie eine Portion Spinat. Statt mit Rührei halt mit Mais, Hauptsache gelb. Und grün. Wie Spinat eben. Mit viiiieeel Eisen.

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