Freitag, 24. Dezember 2010

Lametta

Es ist Heiligabend. Die Geschenke sind ausgepackt, die Freude ist groß, Kerzen brennen, der Abend geht nun fast zu Ende und man sitzt still im Lichterglanz und denkt ein wenig zurück. Wie war das früher, am Weihnachtsabend? Der Christbaum steht still und funkelt vor sich hin, das Licht der Kerzen zaubert Reflexe auf die roten Kugeln und auf die glitzernden Lamettafäden. Lametta. Mir fällt beim Blick auf den Baum immer wieder eine Geschichte ein.
Im Sommer 1971 sind wir in eine neue Wohnung gezogen. Ein fünfstöckiger Plattenbau, mein kleines Paradies, denn ich hatte zum ersten Mal ein eigenes Kinderzimmer. Es sollte auch mein einziges bleiben, denn wir sind nie wieder umgezogen. Erst jetzt, nach 40 Jahren, tauschen meine Eltern diese Wohung gegen eine mit Fahrstuhl.
Voller Freude sahen wir dem ersten Weihnachtsfest im neuen Heim entgegen. Und groß war der Schreck, als am Heiligen Abend der Baum geschmückt wurde, und keine Lametta im Haus war! Lametta mußte sein, also half alles nichts, meine Mutter klingelte, sich vor Peinlichkeit windend, bei den Nachbarn. Kein Problem, die hatten eine Packung übrig, und es war nicht das DDR-Lametta aus Aluminium, das ja auch immer ganz schön war, wie es so silberweiß am Baum hing, sondern sie gaben uns eine Packung echten West-Lamettas, aus dunkler Bleifolie, das hing schwer und glänzend am Baum und sah wirklich ganz anders aus. Es war so ein Schatz, daß es nach Neujahr einzeln, Faden für Faden, vom Baum gesammelt und in eine Serviette gewickelt wurde. 1972 hing es wieder am Baum, sorgsam Faden für Faden aufgehängt. Und 1973 wieder, und auch 1974 und überhaupt, jedes Jahr. Ich will nicht übertreiben, aber ich behaupte, es wurde in den 40 Jahren nur eine einzige Packung Lametta nachgekauft, weil doch ab und zu mal ein Faden verloren ging oder beim Absammeln zerriß.
1988 schmückte ich unseren ersten eigenen Baum. (Unser eigenes Christkind hieß Maximilian und war gerade 12 Tage alt.) Vorsorglich hatte ich mir aus dem Westen eine Packung Lametta schicken lassen, das schwere, dunkle, mit dem bleiernen Glanz. Dieses Lametta hängt noch heute an unserem Baum. Ich habe es jedes Jahr wieder abgesammelt, Faden für Faden, und ich habe bisher noch keines nachgekauft.
Auch das ist Tradition, oder?

Sonntag, 5. Dezember 2010

Hartes Brot

Es ist Winter. Es ist schon früh dunkel. Und es ist kalt. Hoch-Zeit für Weihnachtsfeiern. So steht der Nachtwächter nahezu täglich "Hellebarde bei Fuß", oftmals auch zwei- oder gar dreimal hintereinander, auch bei fetten Minusgraden. Da waren die zwei Semester Sprecherziehung vor mehr als 20 Jahren doch nicht für die Katz', denn drei oder gar viereinhalb Stunden am Stück laut sprechen und singen, bei naßkaltem oder kalttrockenem Wetter, das muß man erst einmal können! 
Das Kostüm muß stimmen, auch wenn es sehr kalt ist. Dabei hat sich ein Schwachpunkt herauskristallisiert: die Schuhe. Vielleicht sollte man es doch mal mit Holzpantinen versuchen, darin kann man sicher endlos viele dicke Socken tragen. Auf der anderen Seite ist es schrecklich, wenn man ordentlich dick eingepackt ist, kein klitzekleines Bißchen friert, aber eine zitternde und bibbernde Gruppe vor sich hat. Kann sich jemand vorstellen, wie es ist, wenn einem zwanzig Leute gegenüberstehen und auf der Stelle hüpfen? Man fühlt sich so schuldig. 
Aber der nächste Termin kommt. Unerbittlich. Bei jedem Wetter. Egal, wie spannend der Film im Fernsehen ist. Dann heißt es wieder: Warme Sachen sortiert bereitlegen. Laterne und Kerzen, Streichhölzer, Horn und Hellebarde, Karten und Wechselgeld vorbereiten. Handy einschalten. Pünktlich am Treffpunkt sein. 
Doch halt! Heute gibt es eine Feuergaukelei mit Schluck aus dem Hexenkessel. Da müssen noch sechs Liter Glühwein heißgemacht, abgefüllt und am Treffpunkt bereitgestellt werden. Bei so viel Schnee und mit so viel Ballast kann ich nicht mit dem Fahrrad fahren. Das Auto muß gestartet werden. Schnee? Glatteis? Shit happens!
Der Glühwein muß abgeliefert werden. Dann kommt man nach zwei Minuten zurück zum Auto und stellt fest, daß die Herrschaften vom Ordnungsamt noch keinen Feierabend haben. Ein orangefarbener Zettel schmückt das Auto. (Danke!) Das hat ganze zwei Minuten auf einem Parkplatz in einer Fußgängerzone gestanden. (In der Einmündung zu meiner Straße gibt es eine Sperrfläche, weil man sonst nur schwer einbiegen kann. Auf dieser Sperrfläche stehen immer Autos, manchmal tagelang. Da habe ich noch nie einen Strafzettel gesehen.)
Weiter geht es! Die nächste Aufgabe lautet nun: Find einen legalen Parkplatz für Dein Auto!
Am Ende ist alles geschafft und der Nachtwächter bzw. dessen Weib steht lächelnd bereit, die Nachtschwärmer zu empfangen. Die sollen von dem vorhergegangenen Streß nichts merken. "Hört Ihr Leut und laßt euch sagen..." 
...es ist ein hartes Brot!