Als ich sieben
Jahre alt war, brachte mir mein Vater aus Dresden, wohin er regelmäßig wegen
seines Fernstudiums fuhr, einen sandfarbenen Cordanzug mit. Ein wunderschönes
Stück, wirklich etwas Besonderes für damals, als alles knapp war. Ich habe den
auch lange getragen, aber irgendwann war die Jacke zu klein und die Hose wurde
zu kurz. Da aber das Breitenwachstum noch nicht so massiv eingesetzt hatte,
konnte man die Hose verlängern. Das war damals „in“, so um 1974 herum. Man
verlängerte nicht verschämt, mit farblich möglichst passendem Stoff, sondern
auffällig – mit Blümchenstoff oder in einer Kontrastfarbe. Im Fall meiner
sandfarbenen Cordhose nähte meine Mutti rotes Kunstleder an, mindestens 10cm.
Später wurde
es uncool, geflickte, ausgebesserte, angesetzte oder mit eingenähten Keilen
geweitete Klamotten zu tragen. Warum eigentlich? Noch 25 Jahre zuvor war es
Usus gewesen, aus Vatis Uniformmantel zwei Kindermäntel zu nähen, aus einem
abgestürzten Fallschirm ein schickes Kleid, aus alten Röcken wenigstens noch
eine Vorbindeschürze und so fort. Alte Stricksachen wurden wieder aufgetrennt,
die Wolle sorgsam zu neuen Knäueln gewickelt und erneut verstrickt. Und das
Nähen von Decken oder Wandteppichen aus Stoffresten war schon vor 2000 Jahren
beliebt. Und plötzlich schämte man sich für ausgebesserte Kleidung?
Inzwischen sind
viele Jahre vergangen, und es ist so, wie meine Oma immer gesagt hat: Es kommt
alles wieder! Immer öfter sehe ich zugenähte Löchlein in T-Shirts, geflickte Hosen,
genähte Dreiangel. Warum auch nicht, warum soll man eine ganze Hose wegwerfen,
wenn sie nur ein kleines Loch hat oder wenn sie vom Radfahren ein bißchen dünn
geworden ist? Also bringen wir unsere Sachen zum Flicken. Jaaa, gut, ich könnte
das auch selbst, das haben ja die Frauen früher auch gemacht, aber erstens habe
ich dafür keine Zeit, zweitens keine Lust und drittens gibt es ja die Zuverdienst-Werkstatt der Aktion Wandlungswelten, wo geschickte Hände nähen und flicken.
Neulich haben
wir wieder eine Tüte voller Hosen dort abgegeben, die entweder am Saum
ausgefranst oder irgendwo durchgescheuert waren. Eine brachte unser Sohn
vorher zu uns, sie hatte Löcher. Auf der Tasche und am Oberschenkel und am Knie. Unsere
Tochter schaute sich die Hose an. „Das ist doch nicht Deine!“ „Doch. Wessen
sonst?“ „Nee, die paßt Dir niemals!“ Das Geschwistergeplänkel zog sich, aber
schließlich wurde die Hose mit abgegeben. Vorgestern holten wir sie wieder ab. Erneut betrachtete unsere Tochter das gute Stück nachdenklich: Die Löcher waren fein
säuberlich mit farblich passendem Jeansstoff unterlegt und durchgesteppt, es
sah wirklich gut aus. Perfekt. Das war wirklich höchste Flickkunst! „Nee“,
schüttelte sie den Kopf, „die paßt dem niemals!“ Plötzlich stutzte sie, schaute
sich die Hose nochmal an, den Bundknopf, den Reißverschluß, die Taschen…. “Das ist
doch eine Frauenjeans!“ Es folgte der Griff zum Telefon: „Du sag mal, erinnerst
Du Dich an die Jeans, die wir für Dich zum Flicken gegeben haben? Kann es sein,
daß die Hose von Deiner Freundin ist?“ Es folgte eine lange Stille. „Na ja, das
würde zumindest erklären, warum die seit zwei Wochen ihre Jeans sucht!“
Danach ging
zwei Stunden nichts mehr. Wir kugelten uns vor Lachen bei der Vorstellung, wie
sich die Näherinnen vermutlich gefragt haben, wie man sich seine Hosen an diesen
Stellen zerreißen kann! Und wie wird erst die Freundin dreinschauen, wenn sie
ihre Jeans zufällig unter irgendeinem Wäschestapel wiederfindet und alle
Edellöcher gestopft sind?